a. Vorüberlegung: Sprechtext oder Kauderwelsch?

»›Die Offenbarung des Universums als einer komplexen Idee seiner selbst im Gegensatz zum Sein in oder außerhalb des wahren Seins von sich ist in sich ein begriffliches Nichts in Beziehung zu jeder abstrakten Form des Seienden oder Sein-Sollenden oder in Ewigkeit Existiert-Habenden, und den Gesetzen des Physikalischen oder der Bewegung oder der Vorstellung in Bezug auf die Nicht-Materie oder das Fehlen objektiven Seins oder objektiven Andersseins nicht unterworfen.‹
Das war ein subtiler Gedanke. Aber ich glaube, sie verstand, bevor sie starb.«120

– Woody Allen

Eine Animation kann Dialog beinhalten. Es macht aber einen großen Unterschied in der Umsetzung, ob es sich um Text mit Inhalt oder um unverständliches Kauderwelsch handelt, das die Emotionen der Charaktere unterstreicht. Der große Unterschied besteht darin, dass Sprechtext üblicherweise vor dem Animieren aufgenommen und komplett abgemischt wird. Bei Kauderwelsch empfiehlt es sich, die Tonaufnahmen hinterher zu machen. Bei verständlichem Dialog muss sich die Animation also genau an diesem Dialog orientieren.

Wenn der Sprechtext durchgängig ist, dann hat man in der Umsetzung relativ wenige Freiheiten, aus diesem vorgegebenen Rahmen auszubrechen. Bei meiner Animation Café Imperial war dies der Fall. Ich habe zunächst die Köpfe lippensynchron animiert und mich dann auf die Körper der beiden Personen konzentriert. Das Verhalten der Figuren war immer an den Text und die dadurch vorgegebenen Emotionen gebunden.

Ganz anders verlief die Umsetzung von The Robbery. Hier bin ich zwar nach einem recht genauen Storybord vorgegangen, hatte aber beim Animieren alle Freiheiten, Szenen zu verlängern oder zu kürzen, das Timing zu beschleunigen oder zu verlangsamen, neue Ideen hinzuzufügen oder geplante Szenen gänzlich herauszunehmen. Ich habe zwar nichts weggelassen, wohl aber Änderungen vorgenommen und Ideen hinzugefügt. In einer Szene streiten sich die beiden Räuber, da jeder der beiden meint, nur er habe das Recht, die Bank zu überfallen. Im Storybord, das aus insgesamt 63 Bildern besteht, nimmt diese Meinungsverschiedenheit nur ein einziges Bild ein. Im Film streiten sich die beiden aber fast eine Minute lang, was etwa einem fünftel der gesamten Animation entspricht. In diesem erweiterten Streitgespräch machen sie einen kleinen Wettbewerb, wer mit seine Waffe von einer höheren Position auf den anderen zielen kann, und führen einen russischen Tanz auf. In einer späteren Szene möchte der Protagonist durch eine Hintertüre vor der Polizei fliehen. Ursprünglich sollte er etwa fünf Meter weit kommen und dann wieder in die Bank zurückrennen, da die Polizei eintrifft. Ich fand diese Lösung etwas langweilig und unbefriedigend. Während der Umsetzung hat sich dann ergeben, dass er die Türe öffnen könnte und dort die Zeugen Jehovas warten. Aus den Zeugen Jehovas wurden schließlich Mormonen, denen die Hauptfigur genervt die Türe vor der Nase zuschlägt. Es warten noch weitere Überraschungen. Beim nächsten Öffnen steht dort der Nikolaus, danach rennt eine Schafherde über eine grüne Wiese, die Türe öffnet sich zu einer Wildwest-Stadt, dann erwartet ihn eine heruntergekommene Mickey Mouse. Zuletzt steht die Polizei vor der Türe, aber die verschwindet nicht, so oft der Bankräuber sie auch schließt und wieder öffnet. Viele Leute, die den Film gesehen haben, halten diese Szene für die beste im ganzen Film. Sie war ursprünglich nicht geplant.

Die Freiheit, die Kauderwelsch-Dialog mit sich bringt, erschwert die Umsetzung dafür an anderer Stelle. Mit Text fällt es natürlich leichter, etwas deutlich zu machen. Ohne diese gesprochene Information ist es schwieriger, eine Situation oder das Thema eines Gesprächs eindeutig zu kommunizieren. Hier spielen dann der Tonfall des Kauderwelschs, Mimik, Gestik bis hin zur Pantomime und Verhalten, wie beispielsweise Gewaltanwendung, zusammen.

Tony White, der unter anderem den Filmtitel für Pink Panter Strikes Again animiert hat, meint: »Es ist die visuelle Aktion in Handlung und Aufführung, die von größter Bedeutung ist. Die beste Animation wird durch eine Form pantomimischer Aktion erreicht, in der Dialog nichtexistent ist und die visuelle Erfindung die Phantasie fesselt.«121 Ich stimme dem nicht zu. Das visuelle ist natürlich wichtig, das heißt aber nicht, dass deshalb eine Lösung mit Dialog schlechter ist, als eine, die auf Text verzichtet. Dies ist die persönliche Präferenz von White. Ich finde es nicht richtig, etwas nach Kategorien zu unterscheiden, um es ungeachtet des Ergebnisses in eine obere oder untere Schublade zu stecken. Für mich haben Animationen mit Dialog und solche ohne die gleichen Voraussetzungen, dem Publikum zu gefallen. Dennoch ist es wichtig, die Vor- und Nachteile bei der Umsetzung abzuwägen.

Es fällt mir auf, dass sehr viele Kurzfilme auf Sprechtext gänzlich verzichten, obwohl Personen darin vorkommen. Kurzfilmprogramme, besonders Filme von Studenten, gleichen oft einer Aneinanderreihung von Stummfilmen mit Hintergrundgeräuschen und Musik. Ich denke, der Grund liegt darin, dass sich die wenigsten trauen, Dialoge zu entwickeln. Es ist schwierig, einen guten Text zu schreiben und zu dem Punkt zu gelangen, an dem man vollauf damit zufrieden ist. Andererseits sticht ein Kurzfilm mit Dialog aus der Masse ein bisschen hervor. Ich würde mich manchmal danach sehnen, ein bisschen gesprochenen Text zu hören. Also warum sollte man es nicht einmal ausprobieren? Die Aufgabe »Ich bin wütend!« zeigt eine Möglichkeit, interessanten Text zu entwickeln.

Wie sieht´s bei Deiner Animation aus? Hat sie Sprechtext, Kauderwelsch oder kommt sie ganz ohne Dialog aus? Kann man den Text weglassen und die Geschichte funktioniert genauso? Dann lasse ihn weg oder ersetze ihn durch Kauderwelsch. Würde Text helfen, die Animation verständlicher zu machen? Dann schreibe einen Text. Letztendlich ist es am wichtigsten, wie Du die Geschichte am besten kommunizieren kannst.

Aufgabe