b. Entwurf

»Gute Animation besteht zu achtzig Prozent aus Schreiben.«122

– Felix Hude

Ja ja, das obenstehende Zitat hätte ich auch früher anführen können. Aber hört sich das nicht ein wenig abschreckend an, wenn man halt einfach einen kurzen Film machen will? Doch keine Angst: Vom Zeitverhältnis her nimmt die Umsetzung üblicherweise den größeren Teil ein. Ob die Geschichte aber funktioniert und Erfolgschancen hat, hängt von der Story ab. Also für alle, die jetzt noch dabei sind: Hände aus den Taschen! Jetzt geht´s zur Sache!

Im Entwurf kommt alles zusammen. Er ist die Grobfassung der Geschichte, die Du erzählen willst. Nehme eine Grundidee, die Dir gefallen hat, oder erfinde eine neue. Wenn Du alle bisherigen Schritte für die Storyentwicklung in diesem Buch durchgegangen bist, dann entwickelst Du eine Geschichte jetzt vielleicht auf eine andere Art, als Du es noch auf Seite 1 getan hättest.

Es schadet nichts, den Prozess nochmals durchzugehen, wenn Du noch keine zufrieden stellende Idee hast. Nehme eine Grundidee, in der irgendetwas aus dem Gleichgewicht gerät. Dann entwickle die Charaktere und statte sie mit guten und schlechten Eigenschaften und ihrer persönlichen Sicht auf die Welt aus. Warum meinen sie, dass sie Handeln und aus welchen Gründen handeln sie wirklich? Was ist ihre dunkle, unterbewusste Seite? Übertreibe die Charaktere dann, um sie interessanter zu machen. Stürze sie in Konflikte. Spiele zwei Figuren gegeneinander aus. Bringe die Figuren in Konflikt mit sich selbst. Entwickle Krisen, Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel. Bringe die Charaktere in Bedrängnis. Kein Erbarmen! Was ist der Höhepunkt und wie gelangt der Held zu seinem Schatz? Schreibe Deine Geschichte in kurzen Sätzen. Wie ist die Ausgangssituation? Was passiert als nächstes? Wie geht es dann weiter? Schritt für Schritt. Wenn Du noch nicht weißt, wie es ausgeht, dann lass den Schluss vorerst weg.

Schreibe die einzelnen Geschehnisse untereinander in eine jeweils neue Zeile. Ein Satz oder ein paar Stichwörter pro Handlungspunkt genügt. Auf diese Weise erstellst Du eine chronologische Liste der Ereignisse. Es hilft sehr, das ganze einfach mal zu Papier zu bringen und nicht nur lose im Kopf herumzutragen. Einmal aufgeschrieben ist es etwas, womit man arbeiten kann. Dann hast Du schon mal etwas, und wenn es auch nur das Gefühl ist, nicht mehr am Anfang zu stehen. Es muss noch nicht zufrieden stellend sein, klar? Also los!

Aufgabe

Wenn Du nicht weiterkommst, habe ich noch einen Trick, der mir schon geholfen hat. Wähle einen Namen für eine Charaktere, und schreibe alles auf, was Dir zu ihr einfällt. Alter und Geschlecht. Vorlieben und Abneigungen. Welche Ereignisse im Leben der Figur haben diese hervorgerufen? Hat die Person studiert? Wenn ja, wie lautete dann das Thema der Abschlussarbeit? Und was hat das ganze mit ihrem heutigen Leben zu tun? Ist sie verheiratet? Wie ist sie heute Früh aufgestanden? Gut oder schlecht gelaunt? Womit hat das zu tun? Wer hat sie heute schon auf die Palme gebracht? Womit wurde die Charaktere im Kindergarten gehänselt und was hat das mit der miesen Laune zu tun, die sie heute hat? Welche Farbe hat ihre Zahnpasta? Etcetera. Schreibe einfach die Lebensgeschichte der Person. Alles wichtige und unwichtige. Egal was es ist. Mach es so lange oder so kurz Du willst. Du schreibst außer Konkurrenz, niemand wird es lesen. Und dann mach das ganze nochmals mit einer zweiten Person. Wenn Du fertig bist, setze sie in eine Ausgangssituation, die sie in Konflikt bringt. Und dann schreibe weiter. Protokolliere, was geschieht. Wie entwickelt sich der Konflikt? Wie könnte er enden? Wenn Du das erledigt hast, dann hast Du Deinen ersten Entwurf der Geschichte. So einfach!

Die oben erklärte Vorgehensweise ist sehr nützlich. Indem man die Charaktere erfindet, schreibt man sich warm, ohne dass irgendetwas davon abhängt. Die Kreativität kommt schnell in Gang. Wenn man sich bei den ersten Sätzen noch sträubt, dann macht es schon bald Spaß, einen solchen Versager oder einen solchen Egoisten oder einen solchen Ichweißnichtwas zu erschaffen. Hat man dann zwei davon, ist es höchst interessant, wie sie aufeinander in einer Situation reagieren werden. Und wenn man eh schon am Schreiben ist, kann man das gleich festhalten. Probier´s aus!

Aufgabe