a. Dialog

Dialog mit Inhalt wird üblicherweise vor dem Animationsprozess aufgenommen. Bei geringer Erfahrung im Trickfilmbereich empfehle ich diese Vorgehensweise (siehe hierzu auch Sprechtext oder Kauderwelsch und Lippenbewegungen). Wenn man eine Animation alleine erstellt, dann sind die Bereiche Dialog und eventuell Musik die einzigen, bei denen man auf fremde Hilfe angewiesen ist. Jede Charaktere braucht eine eigene Stimme, sonst kommt es leicht zu Verwirrung beim Publikum. Man kann Stimmhöhen auch im Nachhinein verändern und so eine Differenzierung erreichen, aber auch hier wirken zwei tatsächlich unterschiedliche Stimmen besser. Ausgebildete Sprecher oder Schauspieler sind natürlich die eleganteste Lösung, aber leider auch die kostspieligste. Für Café Imperial und The Robbery habe ich jeweils zwei Stimmen benötigt. Eine davon habe ich selbst übernommen, die andere stammte von ausgebildeten Sprechern. Glücklicherweise haben sie zum Studententarif gearbeitet und sich mit einer Flasche Wein begnügt. Danke, Greg. Danke, Erick.

Die Sprecher müssen wissen, wer die Charaktere sind. Wie Schauspieler übernehmen sie deren Rolle für die Dauer der Aufnahme. Erkläre ihnen oder schreibe knapp zusammen, wem sie ihre Stimme leihen sollen und in welcher Situation sich die Figur befindet. Bei der Aufnahme bist Du der Boss. Wenn du mit etwas nicht zufrieden bist, dann sage es. Und sage es gleich, nicht erst eine Woche später. Bei einer zweiten Session ist die Luft meist ein bisschen raus. Der Dialog ist entscheidend für das Gesamtergebnis. Auch technische Kleinigkeiten sollte man nicht außer acht lassen. Nach der Aufnahme zu Café Imperial habe ich folgende Email erhalten: »The good news - Simon, Tim, Kirsty - OK! The bad news - Anatol - the microphone wasn’t turned on! (Sheisse!)« Da hilft natürlich alles nichts. Wir haben also eine dreiviertel Stunde lang die Wand angeschrieen, ohne etwas aufs Band zu bekommen. Das ist wie Fotografieren ohne Film. Es passiert Dir nicht zweimal.

Ich liebe Aufnahmen mit Dialog. Hier bekommt der Text zum ersten Mal Leben. Nicht selten entwickeln sich spontane Ergänzungen, die dann in die Animation übernommen werden. Gerade erfahrene Sprecher geben oft konstruktive Kritik zum Text. Man sollte ein offenes Ohr dafür haben und nicht auf jeden Punkt und jedes Komma des Originaltextes beharren.

Bisher haben bei mir etwa vier Aufnahmen genügt, um ausreichend Material zu haben, mit dem ich arbeiten konnte. Ich bin auf verschiedene Arten vorgegangen: Zum Aufwärmen bin ich den Text mit dem Sprecher einmal ohne Mikrofon durchgegangen. An dieser Stelle kann man als Regisseur gleich sagen, was gut ist und was man sich anders vorstellt. Danach das Mikrofon einschalten. Einschalten. Einschalten. Und ein oder zweimal den Text am Stück und mit verteilten Rollen aufnehmen. Dann dasselbe wiederholen, nur sollte man diesmal versuchen, nach jedem Satz eine kurze Pause zu machen, so dass einzelne Textabschnitte leicht herausgeschnitten und ersetzt werden können. Hat man als Sprecher wenig Erfahrung, fällt das gar nicht so leicht, da der Redefluss unterbrochen wird, die Emotion aber beibehalten werden sollte. Hier kann man die Rollen entweder abwechselnd oder erst die eine, dann die andere Charaktere aufnehmen. Zweimal würde ich vorschlagen. Wenn es sich um gleichgeschlechtliche Rollen handelt, ist es nicht schlecht, sie einmal zu tauschen. Es kann sich herausstellen, dass diese Aufteilung geeigneter ist. Manchmal wird der Text von einer anderen Person auch auf eine Art interpretiert und betont, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Zuletzt würde ich die schwierigeren Passagen nochmals wiederholen. Wenn man sich sicher ist, dass man genug zufriedenstellendes Material gesammelt hat, ist die Dialogaufnahme beendet. Ach ja, etwas zum Trinken mitzunehmen ist Gold wert, besonders wenn es laut und wütend wird.

Um das Ablesen zu erleichtern, empfiehlt es sich, eine gut leserliche Schrift und einen großzügigen Zeilenabstand zu wählen. Der Text ist oft zentriert, etwa so:

 

JULIA
Meine Mutter hat mich immer davor gewarnt, mich mit Dir abzugeben.

ROMEO
Ach ja?

JULIA
Ja! Hätte ich nur auf sie gehört!

ROMEO
Hättest du nur auf deinen Vater gehört! Dann hättest du jetzt einen anständigen Beruf! Und du würdest nicht dauernd mit diesen, diesen, … deinen Freundinnen rumhängen und Wetten abschließen, wer bei Oprah diesmal gewinnt!

JULIA
Oh?! Das sagst du mir jetzt, ja? Na schön, dass du endlich mal dein Maul aufkriegst.

ROMEO
Wo ich gerade dabei bin, deine neue Frisur sieht scheiße aus.

JULIA
Wie bitte?

 

Bei einem Kauderwelschtext, der nach dem Animieren aufgezeichnet wird, kann man versuchen, synchron zum Film zu sprechen. Meistens wird es jedoch nicht gelingen. Bei The Robbery habe ich zusammen mit dem zweiten Sprecher einfach bestimmte Gemütsstimmungen aufgenommen, die im Film vorkommen. Das Material habe ich dann in der Nachbearbeitung angepasst.